Am Farnsberg wurden innovative Massnahmen wie der offene Bodenstreifen und die Grossstruktur entwickelt. © André Ducry/BirdLife Schweiz
Die schönste Jahreszeit am Farnsberg ist die «Chirsi-
Bluescht.» Darüber sind sich hier alle einig, vom Landwirt über den Naturschützer bis zur Gemeinderätin. Die Region oberhalb von Gelterkinden (BL) ist geprägt von mächtigen Hochstammbäumen. Die einheimische Bevölkerung ist stolz auf diese traditionelle Kulturlandschaft. Über die sanften Hügelzüge wechseln sich kleinere Wälder mit Weiden und Obstgärten ab. Der Farnsberg, auf dem zuoberst die Ruine Farnsburg thront, umfasst die sechs Gemeinden Buus, Hemmiken, Rickenbach, Ormalingen, Gelterkinden und Rothenfluh.
«Was mich an der ersten Beratung überzeugt hat, ist die Landschaftsbeschreibung aus Sicht des Vogels», sagte Christian Weber an der grossen Jubiläumsfeier auf dem Hofgut Farnsburg Ende April 2024. Ein Vogel sei auf vielfältige Strukturen und eine mosaikartige Kulturlandschaft angewiesen, berichtete der Pionier-Landwirt den zahlreichen Gästen. Der engagierte Betriebsleiter vom Hof Baregg ist seit 2004 eines der Zugpferde im Projekt Obstgarten Farnsberg. So erstaunt es kaum, dass auf seinen extensiv bewirtschafteten Flächen
zahlreiche Zielarten des Projekts wie Neuntöter, Gartenrotschwanz und Zauneidechse einen Lebensraum finden.
Auf Augenhöhe mit den Landwirten
Das Leuchtturm-Projekt von BirdLife Schweiz feiert heuer das 20-Jahre-Jubiläum. Zusammen mit über 30 Landwirtschaftsbetrieben, den lokalen BirdLife-Sektionen und zahlreichen Partnern (siehe Kasten S. 44) fördert BirdLife auf 1200 ha die Biodiversität im Kulturland. Auslöser für das Projekt war der Rotkopfwürger, der damals in der Schweiz nur noch in der Region Farnsberg brütete. Unzählige Stunden am Küchentisch habe man in dieser Anfangsphase mit den Landwirten verbracht, um ihr Vertrauen zu gewinnen, erzählt Martin Blattner vom NVV Ormalingen, eine der lokalen BirdLife-Sektionen.
So konnten nebst Christian Weber bald fünf weitere Landwirte im Projektperimeter dazu motiviert werden, erste Aufwertungsmassnahmen wie Kleinstrukturen und Pflanzungen junger Hochstammbäume umzusetzen. Trotz grossen Anstrengungen kam das Projekt für den Erhalt des Rotkopfwürgers aber zu spät. Die letzte Brut wurde 2009 am Farnsberg entdeckt, seither ist der Rotkopfwürger hierzulande faktisch ausgestorben. Ein herber Rückschlag für alle Beteiligten.
Das aufgebaute Vertrauen zwischen Naturschützenden und Landwirtinnen und Landwirten stellte jedoch die Basis für die Weiterführung des Projekts dar. Die Ziele wurden auf Vogelarten wie Neuntöter, Wendehals und Gartenrotschwanz ausgeweitet, die auf Obstgärten mit Hecken spezialisiert sind. Für die Umsetzung wurde ein ganzheitlicher Ansatz gewählt, bei dem nicht nur ökologische Hotspots, sondern auch Vernetzungsflächen und Trittsteine eine wichtige Rolle spielen.
Dabei lautete das Credo von Beginn weg: Zusammenarbeit mit den LandwirtInnen auf Augenhöhe. Schliesslich müssen sie die Massnahmen in ihr Betriebskonzept integrieren. So war für BirdLife Schweiz als Motor des Projekts klar, dass in der Leitungsgruppe auch die Landwirte eingebunden sein müssen. Mit Erfolg: Durch integrative Persönlichkeiten wie Christian Weber erlangte BirdLife den Ruf als verlässlicher Partner für die Landwirte in der Region.
Praxisnahe Beratung und Forschung
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die gesamtbetriebliche Beratung. Wer über die Anfänge des Projekts recherchiert, kommt am Namen Willy Schmid nicht vorbei. Der von allen geschätzte Berater von Agrofutura hatte ein grosses Fachwissen in Agronomie und Ökologie wie auch einen guten Draht zu den Landwirten. So konnte er sie motivieren, innovative Massnahmen wie den offenen Bodenstreifen umzusetzen, die in der Landwirtschaft unüblich sind. Die Grundlage für solche Pioniermassnahmen lieferten Studierende von Fachhochschulen und Universitäten. Im Fall des offenen Bodenstreifens untersuchte ein ZHAW-Student in seiner Bachelorarbeit das Nahrungsverhalten des Neuntöters. Das Resultat: Neuntöter profitieren stark von dieser Massnahme, wenn sich der offene Boden direkt neben einer Hecke mit Saum befindet. Der Insektenfresser kann seine Beute von der Hecke aus erspähen und auf dem offenen Boden erlegen, wo sie im Gegensatz zum hohen Gras wie auf dem Serviertablett ausgestellt ist. Die Insekten wiederum profitieren vom angrenzenden Saum als Lebensraum und Rückzugsort.
Mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen gelang es BirdLife Schweiz, auch das Ebenrain-Zentrum (das kantonale Amt für Landwirtschaft) vom Nutzen der ungewöhnlichen Massnahme zu überzeugen. Heute werden am Farnsberg entwickelte Massnahmen wie der offene Bodenstreifen und die sogenannte Grossstruktur von mehreren Kantonen als regionsspezifische Biodiversitätsförderung finanziell unterstützt.
Erfolgreiche Zwischenbilanz
Mit der geschickten Kombination vielfältiger Massnahmen gelang BirdLife Schweiz und den Partnern die Trendumkehr. Seit 2008 hat sich der Neuntöter-Bestand am Farnsberg von sechs auf 21 Brutpaare vervielfacht, währenddem er in der Gesamtschweiz lange rückläufig war. Weitere Zielarten wie der Gartenrotschwanz konnten zumindest in ihren Beständen erhalten werden. Mit etwas Glück können aufmerksame Beobachter am Farnsberg seltene Vogelarten auf dem Zug entdecken, wie Bienenfresser oder Wiedehopf. Darauf sind die lokalen Naturschutzvereine stolz, aber auch Landwirte, die nicht im Projekt beteiligt sind, freuen sich über die gestiegene Vielfalt an Vogelstimmen auf ihrem Land.
Schliesslich belegen die Zahlen des Ebenrain-Zentrums den Erfolg: Die Landwirte am Farnsberg haben einen deutlich höheren Anteil an Biodiversitätsförderflächen als der kantonale Durchschnitt. Das grösste Lob für diese Anstrengungen kam an der Jubiläumsfeier von höchster Stelle. Der Nationalratspräsident Eric Nussbaumer bezeichnete das Projekt in seiner Festrede als «nationales Vorzeigemodell».
Nationalratspräsident Eric Nussbaumer am diesjährigen Jubiläumsfest. © André Ducry/BirdLife Schweiz
Die bäuerlichen Medienberichte zum Jubiläumsjahr verdeutlichen ebenfalls: Der Obstgarten Farnsberg gilt als Pionier mit nationaler Strahlkraft. Dies zeigt sich u. a. in Präsentationen an Fachtagungen, Erwähnungen in Faktenblättern des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) bis hin zu Exkursionsanfragen von kantonalen Naturschutzbehörden.
Dennoch besteht auch am Farnsberg noch erhebliches Potenzial zur Weiterentwicklung, sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht. Aktuell laufen die Arbeiten für das Gesuch zur kommenden Projektperiode 2025–2028. Nebst bewährten Massnahmen sollen auch neue Ansätze in Richtung Agroforst, zum Wassermanagement und zur Förderung von Grossinsekten ausprobiert werden. Schliesslich ist die Mischung aus Experimentierfreude und langfristiger Planung ein weiterer Schlüssel für den Erfolg dieses aussergewöhnlichen Projekts. Ein Besuch im Jubiläumsjahr lohnt sich!
Jonas Schälle ist Projektleiter Landwirtschaft bei BirdLife Schweiz.
Das Projekt «Obstgarten Farnsberg» wird von BirdLife Schweiz mit über 30 Landwirtschaftsbetrieben, dem Ebenrain-Zentrum, Agrofutura AG, dem Basellandschaftlichen Natur- und Vogelschutzverband (BNV) und den Natur- und Vogelschutzvereinen der Gemeinden Gelterkinden, Ormalingen, Hemmiken, Buus, Rickenbach und Rothenfluh BL umgesetzt. Der Kanton Basel-Landschaft finanziert das Projekt zu einem Drittel via Umweltprogramm des Bundes. Die Mehrheit des Projektbudgets setzt sich aus grosszügiger Unterstützung von Stiftungen und grossen Eigenleistungen von BirdLife zusammen. In der aktuellen Projektperiode (2019–2024) wird das Projekt unterstützt durch: Kanton Basel-Landschaft, Fonds Landschaft Schweiz (FLS), Swisslos-Fonds Basel-Landschaft, Hermann und Elisabeth Walder-Bachmann Stiftung, Sophie und Karl Binding Stiftung und Dr. Bertold Suhner-Stiftung.
Für das Projekt Obstgarten Farnsberg wird viel Geld benötigt. Helfen auch Sie mit, das Projekt zu finanzieren? Ganz herzlichen Dank!
BirdLife Schweiz, Postfach, 8036 Zürich, PC 80-69351-6, Vermerk: Farnsberg, IBAN: CH71 0900 0000 8006 9351 6.
Online: birdlife.ch/spenden
(Zahlungszweck: Farnsberg)
Pionier seit 20 Jahren