Zusammenspannen am Farnsberg

Programm Obstgarten Farnsberg. Seit Jahren arbeiten Landwirte und Naturschützer im Baselbieter Tafeljura zusammen. Das Ergebnis lässt sich sehen: Erstmals seit Jahrzehnten wachsen wieder mehr als 7000 Hochstamm- Obstbäume am Farnsberg – eine Erfolgsgeschichte, die Früchte trägt.


Das Programm «Obstgarten Farns­berg» klingt ambitiös: Ziel ist es, die Hochstamm-Obstgärten am Farnsberg im nordöstlichen Baselbiet als Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und gemäss deren Ansprüchen ökologisch aufzuwerten. Seit 2004 führen der SVS/BirdLife Schweiz, ortsansässige Landwirte sowie die Natur- und Vogelschutzvereine Buus und Ormalingen erfolgreich Aufwertungsmassnahmen durch. So wurden über 1400 Hochstamm-Obstbäume und über 3500 Büsche gepflanzt sowie auf 17 Hektaren Blumenwiesen, Säume und Buntbrachen angesät. 2015 konnte man erstmals seit Jahrzehnten wieder über 7000 Hochstämmer im Gebiet zählen. Dank der neu geschaffenen Landschaftsstrukturen blüht der Farnsberg buchstäblich auf, zahlreiche Arten profitieren von den Aufwertungen, und auch für Wandernde und Naturinteressierte gewinnt die abwechslungsreiche Kulturlandschaft an Attraktivität. 

Fundamente des Erfolgs


Dass so viele Massnahmen um­gesetzt werden konnten, ist unter anderem dem Engagement der Landwirte zu verdanken. Sie wiesen bereits 17,8 Prozent ihrer Betriebsflächen als Biodiversitätsförderflächen aus – die Hochstammbäume nicht mitgerechnet. Zum Vergleich: Direktzahlungen gibt es bereits bei Ausweisung von lediglich 7 Prozent der Betriebsfläche. Die Landwirte tragen somit zentral zum Schutz der Biodiversität am Farns­berg bei. Im Gegenzug unterstützt das Programm «Obstgarten Farnsberg» die Landwirte bei der Vermarktung von Hochstamm-Produkten. Denn nur wenn die Anliegen der Landwirtschaft ebenso zum Zug kommen, werden die Landwirte auch zukünftig bereit sein, die Ziele des Naturschutzes auf ihren Flächen umzusetzen.

Als ganz entscheidender Erfolgsfaktor des Programms hat sich das Beratermodell erwiesen: Der SVS/BirdLife Schweiz engagiert einen landwirtschaftlichen Berater, der das Bindeglied zwischen Naturschutz und Landwirten bildet. Gleichzeitig analysierte der SVS/BirdLife Schweiz zusammen mit den Natur- und Vogelschutzvereinen Buus und Ormalingen für jeden Betrieb das ökologische Poten­tial im Feld. Der landwirtschaftliche Berater kennt das System der Direktzahlungen sowie die Möglichkeiten, um Aufwertungsmassnahmen in die Betriebsziele zu integrieren. Diese naturschutzfachliche und betriebswirtschaftliche Beratung ist oft ausschlaggebend, um die Landwirte für die entsprechenden Massnahmen zu gewinnen. Daraufhin nimmt das Landwirtschaftliche Zentrum  Ebenrain  die Biodiversitätsför­der­­flächen unter Vertrag und richtet die Direktzahlungen aus.

Die einmalige Verbandsstruktur des SVS/BirdLife Schweiz ermöglicht es, Projekte wie diejenigen am Farnsberg in idealer Zusammenarbeit zwischen nationalem Verband, Kan­to­nalverbänden und den lokalen Sektionen durchzuführen. Die Natur- und Vogel­­schutz­vereine hatten be­reits zu Beginn einen guten persönlichen Kontakt zu den Landwirten. Darauf baut das langfristige Engagement der Natur- und Vogelschutzvereine und des SVS/BirdLife Schweiz auf. Das Vertrauen zwischen Landwirten und Naturschützern wuchs darauf noch weiter. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass in den letzten vier Jahren deutlich umfangreichere Massnahmen umgesetzt werden konnten als in den ersten vier Jahren. Dies macht deutlich, dass die Möglichkeiten demnach noch lange nicht ausgeschöpft sind. 

Die Bedeutung des langfristigen Engagements wird vor diesem Hintergrund klar. Da die öffentliche Hand aber weiterhin viel weniger Geld für den Schutz der Biodiversität zur Verfügung stellt als eigentlich benötigt, ist dieses Engagement nur dank der grosszügigen Unterstützung durch Stiftungen und weitere Geldgeber möglich (siehe Kasten).

Nsia Farnsberg Extensiv SVS

Rund um Strukturen wie diese Buschgruppe werden wenn möglich Altgrassäume angelegt, in denen Insekten überwintern können. © SVS


Wie reagieren gefährdete Arten?


Betrachtet man die umgesetzten Massnahmen, so ist das Programm «Obstgarten Farnsberg» ein voller Erfolg. Der Neuntöter hat von den über 3500 neu gepflanzten Büschen profitiert sowie von den offenen Bodenstreifen, die am Farnsberg (erstmals für die Schweiz!) in grösserem Umfang umgesetzt wurden. Die Art hat zugenommen und kommt heute in guter Dichte mit bis zu 14 Brutpaaren vor. Immer häufiger können wieder Feldhase, Hermelin, Zauneidechse und weitere Arten beobachtet werden – auch sie profitieren bereits. 

Für den Rotkopfwürger, der 2004 einer der Auslöser für das Programm war und bis 2008 im Obstgarten Farnsberg brütete, kamen die Aufwertungsmassnahmen jedoch zu spät: Er hat auch diesen, für die Schweiz letzten Brutplatz verlassen. Bei anderen Arten wie Grauspecht, Wendehals und Gartenrotschwanz haben die Bestandszahlen zwar bisher nicht zugenommen; immerhin konnten sie sich am Farnsberg aber halten – trotz Rückgängen in verschiedenen Regionen der Schweiz und Europas. 

Nsia Gartenrotschwanz Erich Luescher

Der Gartenrotschwanz benötigt eine noch höhere Lebensraumqualität, damit sein Bestand am Farnsberg zunimmt. © Erich Lüscher


Blühende Zukunft


Das Programm «Obstgarten Farnsberg» hat sich eine schweizweite Vorreiterrolle erarbeitet. Auch manch erfahrener Projektleiter aus anderen Regionen unseres Landes staunt über die grossflächig umgesetzten landschaftswirksamen Massnahmen. Um die Erfahrungen des Programms «Obstgarten Farnsberg» weiterzugeben und ähnliche Projekte auch andernorts zu ermöglichen, wird der SVS/BirdLife Schweiz in den nächsten Jahren vermehrt Naturschutzkurse am Farnsberg anbieten. 

Insbesondere ist auch ein mehr­tägiger Kurs vorgesehen, an welchem aktive Sektionsmitglieder einen vertieften Einblick in die Landwirtschaft erhalten sollen, um auch ohne einen professionellen Berater zusammen mit Landwirten Ökologie und Ökonomie vereinen zu können.

In den nächsten Jahren sollen die noch kleinen Bestände von Wendehals und Gartenrotschwanz gestärkt sowie derjenige des Neuntöters weiter ausgebaut werden. Nachdem bisher  grossflächig Aufwertungsmassnahmen umgesetzt werden konnten, arbeiten der SVS/BirdLife Schweiz und seine Partner in den nächsten Jahren vor allem auf die stärkere Konzentration von Massnahmen hin. So sollen auf einer Fläche von einer bis drei Hektaren kleine Naturoasen entstehen, die alle Lebensraumansprüche von Gartenrotschwanz & Co. erfüllen: ein kleinflächiges Mosaik aus Hecken, Obstbäumen, Saumflächen, grosszügigen Ast- und Steinhaufen wie auch Buntbrachen.

 

Martin Schuck arbeitet beim SVS als Fachpraktikant Artenförderung, Pascal König ist der SVS-Projektleiter Landwirtschaft und Dr. Raffael Ayé zeichnet als SVS-Projektleiter verantwortlich für die Artenförderung.

 

Organisation und Partner des Programms


Das Programm «Obstgarten Farnsberg» wird durchgeführt von SVS/BirdLife Schweiz, über 22 Farnsberger Landwirten, der Firma Projekte Ökologie Landwirtschaft, der Agrofutura sowie den Natur- und Vogelschutzvereinen von Buus, Ormalingen, Hemmiken und Gelterkinden. Das Landwirtschaftliche Zentrum Ebenrain schliesst mit den Landwirten Verträge für die Biodiversitätsförderflächen ab und unterstützt die Pflege der Hochstamm-Obstbäume.

Ein ganz herzlicher Dank geht an alle Sponsoren des Obstgartens Farnsberg, die das Programm teilweise schon seit 2005 unterstützen. Dies sind der Fonds Landschaft Schweiz FLS, die Hermann und Elisabeth Walder-Bachmann Stiftung, Swisslos Basel-Landschaft, die Fondation Sur-la-Croix, die Sophie und Karl Binding Stiftung, die Zigerli-Hegi-Stiftung, die Schweizerische Vogelwarte Sempach und das Bundesamt für Umwelt im Rahmen des Artenförderungsprogramms.

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