Ein Traum wird wahr

Neues Naturzentrum. BirdLife Aargau und BirdLife Schweiz werden im Herbst 2018 das Naturzentrum Klingnauer Stausee eröffnen können, wenn sich die nötigen Finanzen finden lassen. Damit wird ein lang gehegter Traum in Erfüllung gehen. Der Klingnauer Stausee ist ein Publikumsmagnet mit jährlich über 100 000 Besucherinnen und Besuchern. Diese sollen über Wasser- und Watvögel und über Auen und Flachwasserzonen informiert und für den Naturschutz gewonnen werden.


Geträumt haben BirdLife Schweiz und BirdLife Aargau von einem Naturzentrum am Klingnauer Stausee schon lange. In den letzten Jahren haben die beiden Organisationen deshalb ihre Bemühungen verstärkt, einen geeigneten Ort am See zu finden. Denn anders als zum Beispiel im Neeracherried sind die Besucherinnen und Besucher am «Klingnauer» bereits vor Ort: Tausende von Vogelbeobachtenden kommen jährlich mehrmals ins Mekka der Ornithologie der Schweiz, und, ebenso wichtig: Über 100 000 Menschen sind pro Jahr am Stausee unterwegs, ohne viel über die Vögel zu wissen. Sie alle für den langfristigen Erhalt des einmaligen Vogelschutzgebiets und ganz generell für den Schutz der Natur zu gewinnen, soll das Ziel eines neuen BirdLife-Naturzentrums Klingnauer Stausee sein. 

In den letzten fünf Jahren haben BirdLife Aargau und BirdLife Schweiz beharrlich auf die Verwirklichung des Traums hingearbeitet. Das Ökobüro Orniplan AG stellte die Grundlagen für ein künftiges Naturzentrum zusammen. Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) führte eine Befragung der Besuchenden durch. Zwei Fachleute aus Frankreich brachten mit einer Studie zur Besucherlenkung vor Ort eine interessante Aussensicht ein. Und mehrmals haben wir zum Verkauf stehende Gebäude geprüft. Zuerst ohne Erfolg. Bis vor genau einem Jahr ein Inserat in Ornis wie ein Blitz einschlug. 

Perfekte Eignung


Zum Verkauf stand ein Haus, das alle Besucherinnen und Besucher des Klingnauer Stausees schon gesehen haben, direkt beim Beobachtungsturm von BirdLife Aargau, keine 20 Meter vom Rundweg um den See entfernt. Die Besichtigung zeigte die perfekte Eignung des Gebäudes für ein Naturzentrum. Rund um das Haus erstrecken sich eine naturnahe Magerwiese, Hecken aus einheimischen Büschen und ein Bach mit regelmäs­sigen Besuchen des Eisvogels und immer wieder neuen Biberdämmen. Nun galt es abzuklären, wie das Haus umgebaut und erweitert werden könnte, um den Anforderungen eines Naturzentrums gerecht zu werden. Ein heimischer Architekt zeigte mit einer Machbarkeitsstudie die sehr gute Eignung des Gebäudes als Besuchszentrum und des Gartens als Lernort. Ganz wichtig ist, dass das künftige Zentrum direkt am Stausee und damit am Besucherstrom liegt. 

Im nächsten Schritt musste die zonenplanerische Situation durch den Kanton Aargau abgeklärt werden. Die Abteilung Landschaft und Gewässer und die Standortgemeinde Böttstein halfen tatkräftig mit. Im Schutzgebiet des Klingnauer Stausees gibt es bezüglich neuen Bauten und Erweiterungen sehr restriktive Vorgaben. Nur wenn ein Gebäude der Besucherinformation dient, also genau für unseren Fall, sind Ausnahmen möglich. Nach der Prüfung bestätigten Gemeinde und Kanton mit einer offiziellen Verfügung, dass die Umnutzung und Erweiterung des Hauses zu einem Naturzentrum bewilligungsfähig ist. 

Darauf galt es für BirdLife Aargau und BirdLife Schweiz sofort zu handeln, bevor das Haus anderweitig verkauft wurde. Im März 2016 stimmten die Delegierten von BirdLife Aargau und im Mai die Delegierten von BirdLife Schweiz dem gemeinsamen Kauf des Grundstücks, dem Umbau des Hauses und dem Betrieb des Naturzentrums zu. Seit diesem Sommer sind nun der Kantonalverband und der nationale Verband Besitzer des Gebäudes. Ermöglicht haben dies ein namhafter Beitrag aus dem Swisslos-Fonds Kanton Aargau und ein Beitrag des Bundes an den Erwerb der Naturfläche um das Gebäude. Mit diesen Beiträgen ist gut die Hälfte der Erstellungskosten inklusive Kauf gedeckt. 

KL Luftbild

Das neue Naturzentrum wird direkt am Uferweg stehen (rechts, weisser Kreis). © N. Wächter/Reportair

KL Turm
Gleich nebenan steht der Beobachtungsturm von BirdLife Aargau. © BirdLife Schweiz
KL Eisvogel Dieterhopf
Der Eisvogel ist häufig auf dem Grundstück zu sehen. © Dieter Hopf


Auf der Suche nach Geld


Momentan arbeiten BirdLife Aargau und BirdLife Schweiz intensiv daran, die restlichen nötigen Finanzen zusammenzubringen (siehe auch Spendenaufruf auf Seite 14). Bereits haben die Gemeinden Böttstein, Döttingen, Klingnau, Koblenz, Mandach und Villigen Beiträge zugesagt. Alle Firmen der Region wurden angeschrieben; erste Sponsoringbeiträge wurden bereits zugesagt. Gesamthaft sind nun gegen zwei Drittel der für die Erstellung des Naturzentrums nötigen 1,9 Millionen Franken beisammen. Das zeigt die grosse Unterstützung aus Kanton und Region für das Vorhaben. 

Damit im nächsten Frühling mit der Detailplanung begonnen werden kann, sollten bis dann auch die restlichen rund 650 000 Franken gedeckt sein. Bereits wurden viele Stiftungen angefragt. BirdLife Aargau und BirdLife Schweiz würden sich aber sehr freuen, wenn sich auch unser eigenes Netzwerk am Aufbau des Naturzentrums beteiligen würde. Die meisten Sektionen besuchen regelmässig den Klingnauer Stausee. Kantonalverbände führen hier ihre Feldornithologiekurs-Prüfungen durch – schliesslich handelt es sich beim «Klingi» neben dem Fanel um das beste Vogelbeobachtungsgebiet der Schweiz. Deshalb werden wir mit allen 440 BirdLife-Sektionen Kontakt aufnehmen mit der Bitte, einen Beitrag an das Naturzentrum zu prüfen. Die Kantonalverbände und Landesorganisationen haben den Aufruf Ende August sehr unterstützt. 

Das ganze Jahr über spannend


Sobald die Finanzen – hoffentlich bis im Frühling 2017 – gesichert sind, beginnt die konkrete Ausgestaltung des Zentrums und die Detailplanung des Betriebs. Im Moment ist vorgesehen, dass das Naturzentrum jeweils an den Wochenenden und wenn möglich am Mittwoch geöffnet sein wird, und dies das ganze Jahr über. Denn der Stausee hat in jeder Jahreszeit sehr viel zu bieten. 

Im Winter sind es vor allem die Enten, die mit ihrer Artenvielfalt begeistern. Schon bald im Spätwinter beginnt der Durchzug der Watvögel, der bis weit in den Mai hinein dauert. Was viele nicht wissen: Der Klingnauer Stausee ist auch für Brutvögel von grosser Bedeutung ist: Auenwald- und Schilfbewohner bevölkern den See. Seltene Pflanzen wie die Schwanenblume oder viele Trockenwiesenpflanzen an den Dämmen sind zu finden, und auch viele Biber leben im Gebiet. 

Fast nahtlos geht der Rückzug der Limikolen im Juni in die Ankunft der ersten Gäste aus dem Norden über. Diese dauert weit in den Winter hinein – der Kreis schliesst sich. In letzter Zeit hat sich der Klingnauer Stausee überdies zu einem Hotspot für Sumpfhühner entwickelt. Wer im Spätsommer nicht nur auf den See, sondern auch in den Himmel schaut, kann zudem oft ziehende Greifvögel, zum Beispiel Hunderte von Wespenbussarden, durchziehen sehen. Der Klingnauer Stausee hat wirklich immer etwas zu bieten – die ganzjährige Öffnungszeit des Naturzentrums ist deshalb selbstverständlich.

KL Wasserralle Rolfkunz

Häufiger Bewohner des «Klingis»: die Wasserralle. © Rolf Kunz


Weiter ist geplant, dass der Besuch des Naturzentrums kostenlos sein wird. In einer Ausstellung soll die faszinierende Geschichte des Stausees zu sehen sein, von der ursprünglichen wertvollen Aue über eine erste Kanalisierung der Aare bis zum Aufstau des Sees in den 1930er-Jahren. Auch die weitere Entwicklung der Lebensräume am damals neuen See wird thematisiert: vom ehemals tiefen Gewässer über die Entstehung neuer Schlickflächen für Limikolen und die ersten Ansätze des Auenwaldes im obersten Teil des Sees bis zum heutigen Mosaik von Lebensräumen, bei dem auch Schilfflächen eine grosse Rolle spielen. 

Zukunft des Stausees


Auch die Zukunft des Klingnauer Stausees soll ein Thema des Naturzentrums sein: Wie lässt sich der wertvolle Lebensraum bei der immer weiter fortschreitenden Auflandung langfristig sichern? Soll die Entwicklung laufen gelassen werden oder braucht es Eingriffe? Kein Zweifel – dem Naturzentrum Klingnauer Stausee werden die interessanten Themen nicht aus­gehen. 

Dank der bestehenden Magerwiese und den Hecken wird es im Aus­sen­be­reich um das Zentrum auch möglich sein, den Besuchenden zu zeigen, was sie selber in ihrem Umfeld für die Natur tun können. Vielleicht lässt sich auf dem Gelände des Zentrums sogar eine Brutwand für den Eisvogel mit Beobachtungs-Hide errichten. Sicher wird sich auch die Theke mit Getränken und Zwischenverpflegungen grosser Beliebtheit erfreuen. 

Der Betrieb des Zentrums soll mit Beiträgen von Gemeinden, Führungen, dem Shop und mit Beiträgen an Projekte finanziert werden. Und natürlich werden auch BirdLife Aargau und BirdLife Schweiz ihren Beitrag leisten. Die BirdLife-Lokalsektion Naturschutzverein Aare-Rhein mit ihrer guten Vernetzung in der Region wird den Betrieb nach Kräften vor Ort unterstützen.

KL Sicht

Sicht vom Beobachtungsturm von BirdLife Aargau aus auf den See. © BirdLife Schweiz


Noch ist viel Arbeit nötig – vor allem müssen die nötigen Finanzen zusammen kommen. Wir sind aber überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt – und dass jeder grosse oder kleine finanzielle Beitrag im Naturzentrum Klingnauer Stausee gut angelegt ist. Wenn alles gut geht, werden wir anlässlich der Eröffnung im Herbst 2018 alle zu einem grossen Fest einladen. 

 

Werner Müller ist Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. 
Kathrin Hochuli ist Geschäftsführerin von BirdLife Aargau.

 

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