Verborgene Wunderwelt

Artenreiche Lebensgemeinschaft des Teiches. Stabwanzen tarnen sich als Ästchen. Wasserläufer vollführen hohe Sprünge in die Luft. Spinnen bauen unter Wasser ihre Netze. Schnecken laufen auf der Unterseite der Wasseroberfläche umher... Die Überlebensstrategien der kleinen und grossen Teichbewohner sind äusserst faszinierend.


Es spielt sich weitgehend im Verborgenen ab, das Leben in den kleinen Stillgewässern wie Teichen und Tümpeln. Damit ist nicht unbedingt auf den ersten Blick sichtbar, wie artenreich und ökologisch bedeutend diese Lebensräume sind – und wie viele spannende und spezialisierte Artengruppen sie bevölkern. Die meisten dieser Lebewesen kommen auch mit starken Schwankungen von Wasserstand, Temperatur oder Sauerstoffgehalt gut zurecht. Viele Tiere sind Luftatmer und ziemlich mobil. Sie können neue Gewässer schnell besiedeln, wenn diese in Ausbreitungsdistanz liegen.

Beginnen wir unseren Augenschein ganz oben, im Luftraum über dem Tümpel. Zu den beeindruckendsten Bewohnern zählen hier zweifellos die farbenprächtigen Libellen, die als agile Flugjäger andere fliegende Insekten jagen. Sie verfügen über extrem grosse Komplexaugen, die ihnen beinahe Rundumsicht erlauben. Ihr Sehsinn ist um ein Vielfaches schneller als jener des Menschen, sodass sich diese Flugakrobaten im rasanten Flug orientieren und Bewegungen extrem rasch wahrnehmen können. 

Die wohl gewandtesten Flieger sind die grossen Edellibellen. Fast immer trifft man sie in der Luft an, die Männchen auch auf ausdauernder Patrouille im Revier. Auf der Jagd nach Insektenbeute sind manche dieser mobilen Grosslibellen noch weit abseits vom Gewässer unterwegs. Die Grosse Königslibelle (Anax imperator), mit Flügellängen bis zu fünf Zentimetern die grösste Libelle der Schweiz, erbeutet Fliegen, Schmetterlinge und selbst andere Libellen von beeindruckender Grösse bis hin zu manchen Mosaikjungfern. 

Im Gegensatz zu diesen «Vielfliegern» unter den Libellen sind Arten wie die kleinen roten Heidelibellen Ansitzjäger, die man oft auf Pflanzen wie Binsenhalmen oder ähnlich erhöhten Warten am Gewässerrand sitzen sieht. Von dort fliegen sie meist nur kurz auf, um ein Beutetier zu erhaschen.

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Diese Grosse Königslibelle (Anax imperator) legt gerade ihre Eier ab. © D. Hopf
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Die Larve derselben Art zeigt ihren ausschleuderbaren Fangapparat. © D. Ercken/Alamy
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Eine räuberische Wanze: der Gemeine Wasserläufer (Gerris lacustris). © Alamy
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Mückenlarven hängen an der Wasseroberfläche, um zu atmen. © Addictive/Alamy

Wer läuft da übers Wasser?

Verschiedene Kleintiere können über das Wasser laufen, doch kaum eine Tiergruppe hat sich so darauf spezialisiert wie die Wasserläufer. Die lang gestreckten Insekten, die sich oft in ganzen Gruppen ruckartig über den Wasserspiegel bewegen, tragen zwei lange, weit hinten am Körper ansetzende Beinpaare. Vor allem das mittlere Beinpaar ist extrem lang. Es wird als Ruder eingesetzt und treibt den stromlinienförmigen Wasserläufer äusserst schnell voran, während die hinteren Beine eher als Steuer dienen. Das vorderste Beinpaar ist viel kürzer, mit diesem halten die Wasserläufer Beutetiere fest. Ihre Beine werden von der Oberflächenspannung des Wassers getragen, da sie wie der ganze Körper und vor allem die Unterseite des Insekts feinste Härchen aufweisen, die eine Benetzung verhindern. 

Die Wasserläufer sind räuberische Wanzen; sie saugen mit ihrem wanzentypischen Stechrüssel lebende oder tote Kleintiere aus. Sie sind schnell zur Stelle, wenn sie durch ihren feinen Vibrationssinn in den Beinen minimste Erschütterungen der Wasseroberfläche durch ein zappelndes Insekt wahrnehmen. Sollte sich ein Fisch oder eine andere Raubwanze von unten aus dem Wasser nähern, können sich Wasserläufer mit einem nahezu senkrechten Sprung in die Höhe katapultieren und so in Sicherheit bringen. Dabei gelingt es ihnen mit erstaunlicher Präzision, ihre Absprungkraft auf die Oberflächenspannung des Wassers abzustimmen, um trotz des Kraftakts nicht einzusinken. 

Manche Kurzflügler der Gattung Stenus, die an Gewässern leben und gelegentlich ins offene Wasser gelangen, haben eine besondere Technik entwickelt, um bei Gefahr schnell fliehen zu können. Wenn sie sich etwa durch Wasserläufer bedroht wähnen, geben die kleinen Käfer einen Tropfen ihres terpenhaltigen Abwehrsekrets auf das Wasser ab, wo sich die oberflächenaktive Substanz blitzartig ausbreitet. Aufgrund dessen wird der Käfer am Rand des dünnen Films rasant weggespült, ohne dass er dafür seine Beine bewegen müsste. Diese bemerkenswerte Art der Fortbewegung, die als Spreitungsschwimmen bezeichnet wird, ist in ähnlicher Weise nur noch von Wanzen der Gattung Velia aus der Verwandtschaft der Bachläufer bekannt.

Durch ihren grossen Appetit können die Larven des Gelbrandkäfers erheblichen Einfluss auf die Fauna eines Teiches haben.

Direkt unter dem Wasserspiegel sind oft Rückenschwimmer unterwegs; räuberisch lebende Wanzen mit grossen dunkelroten Augen, deren hinterstes Beinpaar zu langen und kräftigen Ruderbeinen ausgebildet ist. Sie schwimmen mit der Bauchseite nach oben herum, wobei ein ständig mitgeführter Luftvorrat für Auftrieb sorgt und die Tiere gegen das Oberflächenhäutchen des Gewässers drückt. Zwei Borstenreihen auf der Bauchseite halten einen Grossteil des Luftvorrats fest, während die mit bootsrumpfartig gekieltem Rücken versehenen Raubwanzen durchs Wasser rudern. 

Die Rückenschwimmer suchen mit Hilfe des ausgezeichneten Sehsinnes nach Beutetieren, die sie mit den Vorderbeinen ergreifen. Sie stechen auf dem Wasser verunglückte Landinsekten an oder überwältigen verschiedene Wassertiere bis hin zu Kaulquappen. Ebenfalls in ihr Beutespektrum gehören Stechmückenlarven (Culex sp.), die als Luftatmer mit dem Atemrohr an der Wasseroberfläche hängend sehr exponiert heranwachsen. Die Stechmückenlarven reagieren indes schnell auf die Anwesenheit des Beutegreifers und tauchen ab, um nach einiger Zeit an anderer Stelle wieder emporzutreiben. Auch die Puppen der Stechmücken sind beweglich und flüchten bei Gefahr mit zackigen Bewegungen in die Tiefe.

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In einem naturnahen Teich (erstes Bild) tummeln sich spannende Tiere, so etwa Wasserspinne, Rückenschwimmer, Wasserskorpion und Gelbrandkäfer-Larve. © Jan Ryser; Jack Perks/Alamy; iStock; Frank Hecker/Alamy; Image­broker/Alamy

Fressen und gefressen werden

In tiefer liegenden Wasserschichten sind ebenfalls viele kleine Räuber aktiv. Flach ovale, stromlinienförmige Käfer verschiedener Arten und Grössen, darunter auch sehr winzige, bewegen sich flink und wendig durchs Wasser. Zu den grössten und häufigsten Schwimmkäfern zählt der bis zu 3,5 Zentimeter lange, grünlich-schwarze Gelbrandkäfer (Dytiscus marginalis). Die Körperseiten und der Halsschild dieses grossen Käfers sind gelb gerandet; seine abgeplatteten Hinterbeine tragen lange Schwimmborsten. Er überwältigt Tiere bis hin zu Molchlarven und kleinen Fischen. 

Die Larven des Gelbrandkäfers sind ebenfalls Räuber und tragen beeindruckende sichelförmige Oberkieferzangen. Während sie zum Atmen mit dem Hinterteil an der Wasseroberfläche hängen, lauern sie auf kleinere bis grössere Tiere. Dabei scheinen sie wenig wählerisch zu sein – auch Artgenossen werden erbeutet. Durch ihren grossen Appetit können die Gelbrandkäferlarven erheblichen Einfluss auf die Fauna eines Teiches haben. 

Viele räuberische Tiere des Teiches erbeuten Wasserflöhe wie die Daphnien, millimeterkleine Krebstierchen, die zum Zooplankton gehören und sich dank ruckenden Bewegungen im Wasserkörper halten. Die Krebschen vollziehen täglich eine Vertikalwanderung: Sie verbringen den Tag möglichst verborgen in Bodennähe und wandern bei einsetzender Dunkelheit zur Oberfläche empor, um sich von schwebenden Algen zu ernähren. Auch Jäger wie die durchsichtigen «Glasstäbchenlarven» der Büschelmücken (Chaoborus sp.) halten sich als Zooplankton schwebend im Wasser auf, wo sie vor allem den Daphnien nachstellen und im Tagesverlauf ebenfalls eine Vertikalwanderung durchlaufen, um ihren Beutegreifern zu entgehen. 

Weist das Kleingewässer Strukturen wie Pflanzenhorste auf, finden verschiedene Tiere darin Lebensraum. Wasserspinnen (Argyroneta aquatica) weben einen horizontalen «Teppich» aus Spinnfäden zwischen den Pflanzen und bringen darunter einen Luftvorrat an, der an eine Taucherglocke erinnert. Lauerjäger wie der rund zwei Zentimeter lange Wasserskorpion (Nepa cinerea), der in seiner abgeplatteten Körperform einem toten Pflanzenblatt ähnelt, warten zwischen Pflanzenteilen gut getarnt auf Beute. Die verdickten Vorderbeine des Wasserskorpions, die an die Scheren eines Skorpions erinnern, sind zu Fangbeinen entwickelt. Der lange «Stachel» am Hinterende ist jedoch das Atemrohr dieser Raubwanze, mit welchem sie Luft von der Oberfläche aufnimmt. Eine Tarnkünstlerin ist auch die verwandte Stabwanze (Ranatra linearis), welche mit vier Zentimetern Länge ein Zweiglein imitiert und meist auf Wasserpflanzen sitzend auf Beute lauert. 

Am schlammigen Gewässergrund schliesslich finden sich unscheinbar bräunliche Libellenlarven, manchmal halbwegs eingegraben, die ihre Beute mit einer blitzschnell ausgestülpten Fangmaske überwältigen. Bei Gefahr können sich die Larven von Mosaikjungfern und Königslibellen durch Rückstoss-Schwimmen schnell fortbewegen. Überhaupt wachsen die Larven verschiedenster Insekten im stehenden Kleingewässer heran, darunter jene der urtümlich anmutenden Köcherfliegen, die zu ihrem Schutz je nach Art Köcher aus Pflanzenteilchen oder Ähnlichem bauen. 

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Libellenlarven sind nicht die einzigen Tiere, die unter Wasser auf Beute lauern. © Jack Perks, Alamy
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Die Stabwanze (Ranatra linearis) mit Atemrohr tarnt sich als Ästchen. © Alamy

Unterwasser-Kriecher

Plattwürmer (Planarien) kriechen über den Boden und saugen auf, was sie an kleinsten Beutetieren aufspüren. Wasserlungenschnecken wie die Spitzschlammschnecke (Lymnaea stagnalis) hingegen kriechen manchmal auf einem Schleimband auf der Unterseite der Wasseroberfläche umher, um mit ihrer Raspelzunge Nahrungspartikel abzuschaben. Die Schnecken verzehren nebst Algen vor allem totes organisches Material wie abgestorbene Pflanzenteile. Von Zeit zu Zeit öffnet die Schlammschnecke an der Wasseroberfläche ihr Atemrohr, um Luftsauerstoff aufzunehmen. 

Nimmt sie in dieser exponierten Lage eine Gefahr wie zum Beispiel einen zustossenden Reiher wahr, kann sie blitzschnell Luft ausstossen und zu Boden sinken. Mit etwas Glück liegt die Schnecke dann am Grund zwischen Pflanzenteilen oder Ähnlichem verborgen. Die Wasserschnecken sind oft als Zwischenwirte von parasitischen Saugwürmern (Trematoden) befallen, deren komplexe Lebenszyklen Endwirte wie manche Vögel einschliessen. 

Keineswegs ein Parasit ist der träg im Wasser liegende, dunkelbräunliche bis schwarze Pferdeegel (Haemopis sanguisuga). Als Räuber tastet er sich mithilfe von Saugnäpfen gemächlich auf dem Boden voran und saugt ein, was er an Beutetieren aufspürt. Die Beute kann recht gross sein – gelegentlich sind es andere Egel. Vor allem bei feuchtwarmem Wetter kriecht der Pferdeegel auch an Land und verbirgt sich da manchmal tief in der Laubstreu oder sucht nach Beute wie Regenwürmern und Landschnecken, die er aus dem Gehäuse saugt. Vor allem die oft an Kleingewässern lebenden Bernsteinschnecken haben mit diesem Beutegreifer zu rechnen. Wie es heisst, entkommen flinkere Landschnecken dem Egel manchmal durch «rasches» Wegkriechen. 

In der Bodenschicht des Kleingewässers lagern sich verwesende Blätter und andere Pflanzenteile ab. Dieses organische Material wird je nach Zerfallsstadium von weiteren Organismen verwertet. Die dünnen, rötlichen Schlammröhrenwürmer (Tubifex) zum Beispiel leben in senkrechten Wohnröhren im Schlamm, wobei das Hinterende oben herausragt und in ständigem Pendeln «atmet». Als Filtrierer verankern sich Süsswassermuscheln wie die grosse Teichmuschel (Anodonta cygnea) am Boden und strudeln kleine Planktonorganismen, Pflanzenreste oder Algen ein. 

Gänzlich in der Bodenschicht verborgen wachsen etwa die sogenannten Rattenschwanzlarven der Mistbiene (Eristalis tenax) heran. Die Larven dieser Schwebfliegen sind normalerweise komplett im schlammigen Grund eines seichten Uferbereichs vergraben, wo sie verwertbares organisches Material herausfiltern. Einzig ihr langes Atemrohr ragt wie ein dünner Faden durchs Wasser an die Oberfläche – je nach Wasserstand kann es bis zu vier Zentimeter weit ausgefahren werden.

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Die Uferwanze Saldula saltatoria lebt am schlammigen Ufer. © Larry Doherty/Alamy
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Der Pferdeegel (Haemopis sanguisuga) saugt kein Blut, sondern jagt kleine Tiere. © Hakan Soderholm/Alamy
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Auch er ist ein gefrässiger Jäger: der Teichmolch. © Frank Hecker/Alamy

Wichtige Übergangszone

Wie wichtig eine naturnahe Umgebung oder mindestens ein Ufersaum des Gewässers ist, zeigt sich, wenn die Kaulquappen der Grasfrösche oder Erdkröten ihre Beinchen entwickelt haben und als sogenannte Metamorphlinge in grosser Zahl das Gewässer verlassen. Die Abwanderung ist für die winzigen Amphibien ein gefährliches Unterfangen. Sie brauchen Unterschlupf sowie Schutz vor der Sonne und vor Beutegreifern. Auf dem nassen Boden des Uferbereichs finden sie winzige tierische Beute, kleinste Mücken oder auch Springschwänze, die sie mit der Zunge aufnehmen. 

Allgemein ist die Übergangszone vom Wasser zum Land mit ihren natürlichen Wasserstandsschwankungen ein wichtiges Habitat für verschiedene Arten. Rund vier Millimeter kleine Springwanzen (Saldula sp.) laufen flink am flachen Ufersaum herum, wo sie sich von kleineren Wirbellosen wie Springschwänzen ernähren. Es gibt mehrere sehr ähnliche Arten dieser räuberischen und sprungkräftigen Uferwanzen, welche relativ grosse Augen tragen und ein entsprechend gutes Sehvermögen haben. Im Übergangsbereich vom Wasser zum Land leben auch die zierlichen Teichläufer (Hydrometra), die an Land und über das Wasser laufen können. Manchmal siedeln sich auffallend viele landlebende Spinnen in der Vegetation am Uferbereich an, da sie offenbar vom besonders hohen Insektenaufkommen im Umfeld des Gewässers profitieren. 

Leider sind kleine Stillgewässer vielfach zerstört worden und heute verhältnismässig rare Lebensräume. Diese «Inseln der Biodiversität» sind weiterhin gefährdet durch Schadstoffeinträge, Eutrophierung, standortfremde Neobiota oder vollständige Austrocknung, wobei der Klimawandel insbesondere Lebensgemeinschaften in alpinen Kleingewässern bedroht.

Dr. Esther Wullschleger Schättin ist Zoologin und freie Fachjournalistin. Sie schreibt für verschiedene Fach- und Publikumsmedien. www.nature-themes.ch

W. Engelhardt (2020): Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher? Kosmos, Fr. 45.50 (erhältlich bei BirdLife Schweiz)

Die BirdLife-Broschüre «Differenzierte Pflege» gibt zahlreiche Hinweise zur Pflege von Teichen. Erhältlich im BirdLife-Shop.

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