Was bringt Freiflächen-Photovoltaik im Flachland für die Energiewende?


Raffael Ayé

05.02.2024, Ornis 1/24

Eine höhere Energieeffizienz und die verstärkte Produktion erneuerbarer Energien sind die beiden Pfeiler der Energiewende. BirdLife Schweiz trägt diese Bestrebungen mit und setzt sich für eine biodiversitätsschonende Energiewende ein. Von den erneuerbaren Energien hat die Photovoltaik (PV) bei Weitem das grösste Potenzial: Das Produktionspotenzial auf und an geeigneten Bauten und Infrastrukturanlagen beträgt rund 82 TWh pro Jahr (Details siehe Linktipp). Das ist mehr Elektrizität als die Schweiz in absehbarer Zukunft brauchen wird!

Photovoltaik an Fassaden und auf Dächern von Gebäuden sowie z. B. an Lärmschutzwänden, Stützmauern oder Stauwehren weisen kaum Schadenspotenzial für die Biodiversität auf. Vordringlich muss deshalb dieses biodiversitätsfreundliche Potenzial genutzt werden. Daher hat BirdLife auch entschieden, die Solar-Initiative der Grünen zu unterstützen, welche genau dies fordert. Sobald die Unterschriftensammlung startet, informieren wir.

Mit Solarstrom auf Gebäuden und Infrastrukturen liesse sich also genügend Strom produzieren, um die ganze Schweiz zu versorgen – ohne eine einzige Anlage in der freien Fläche. Zwei Schwierigkeiten bestehen dabei: Erstens macht es wirtschaftlich kaum Sinn, wenige Jahre vor einer anstehenden Dachsanierung eine Solaranlage zu installieren, und zweitens produzieren typische PV-Anlagen den Strom zu rund zwei Dritteln im Sommerhalbjahr. Damit der Strom auch im Winter fliesst, sind zusätzliche Speicher nötig.

Einen deutlich grösseren Anteil an Winterstrom können PV-Anlagen in höheren Lagen erreichen – dank hohem Wirkungsgrad bei tiefen Temperaturen, meist nebelfreier Lage und Reflektion des Sonnenlichts durch Schnee. Doch PV-Anlagen im Gebirge haben je nach Standort einen grossen Einfluss auf Natur und Landschaft.

Eine dritte Option sind PV-Anlagen in der freien Fläche in tieferen Lagen, oftmals als Agri-PV bezeichnet. Promotoren von Agri-PV bewerben die Solarparks gerne mit dem Argument, diese würden zur Förderung der Biodiversität beitragen. Und in der Tat kann auf zuvor intensiv genutzten, artenarmen Landwirtschaftsflächen die lokale Biodiversität auf der Parzelle erhöht werden, wenn parallel zum Bau des Solarparks entsprechende Massnahmen ergriffen werden.

Bereits heute wird jedoch die Produktion von Nahrungsmitteln als häufiges Argument gegen mehr Naturschutz in der Landwirtschaftszone angeführt. Konsequenterweise muss also bewusst der Entscheid getroffen werden, weniger landwirtschaftliche Produkte herzustellen und z. B. den Tierbestand zu reduzieren, wenn eine vormals intensiv genutzte, artenarme Wiese in einen Solarpark mit extensiver Weidenutzung überführt werden soll. Sonst wird die Biodiversität andernorts durch Intensivierung gefährdet.

PV-Anlagen auf bereits zuvor extensiv genutztem Grünland stellen hingegen in der Regel eine Gefährdung der vorhandenen Biodiversität dar. An wertvollen Standorten darf dies deshalb keine Option sein. Der teilweise Schutz, den die PV-Panels vor Austrocknung des Bodens oder Unwetter bieten, eröffnet eine andere Strategie: eine höhere Nahrungsmittelproduktion trotz teilweiser Beschattung. Sofern dieses Ziel mit einer PV-Anlage erreicht wird, kann sie analog einem Gewächshaus betrachtet und in entsprechenden landwirtschaftlichen Spezialzonen bewilligt werden.

Zusammengefasst stellt sich bei Agri-PV im Flachland die Frage, ob sie überhaupt einen relevanten Beitrag zur Versorgungssicherheit vor allem im Winter leistet. Die angeblich positive Wirkung auf die Biodiversität hält einer Überprüfung oftmals nicht stand. Vor einer allfälligen Bewilligung von Frei­flächen-PV sind deshalb wie auch bei anderen Anlagen ausserhalb der Bauzone genaue Abklärungen notwendig. Viel dringender und zielführender ist der Ausbau der PV auf Gebäuden und Infrastrukturen!

Der Geschäftsführer Dr. Raffael Ayé fasst hier die Haltung von BirdLife Schweiz zu politischen Fragen zusammen.

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