Ja zur Biodiversitätsinitiative!

Abstimmungskampf. Am 9. Juni oder 22. September 2024 wird über die Biodi­versitätsinitiative abgestimmt. Im Abstimmungskampf braucht es das volle Engagement aller. Die Initiative sichert unsere Lebensgrundlagen und hilft auch der Landwirtschaft.


Dieses Jahr gilt es ernst: Die Biodiversitätsinitiative kommt entweder am 9. Juni oder am 22. September zur Abstimmung. Die Initiative war 2019 von BirdLife Schweiz, Pro Natura, Schweizer Heimatschutz und Stiftung Landschaftsschutz lanciert und im September 2020 mit gegen 110 000 Unterschriften eingereicht worden. Heute wird sie von einer breiten Koalition von rund 50 Organisationen aus Landwirtschaft, Berggebieten, Fischerei, Gewässerschutz, Pärken, Jagd sowie Natur- und Landschaftsschutz unterstützt. Zu den Unterstützern gehören zum Beispiel die Kleinbauernvereinigung, der Schweizerische Fischerei-Verband, das Netzwerk Schweizer Pärke, der Ökologische Jagdverein Schweiz und viele weitere Organisationen.

Damit wir eine Chance haben, die Abstimmung zu gewinnen, braucht es das volle Engagement aller, vor allem auch der BirdLife-Landesorganisationen, -Kantonalverbände und -Sektionen wie auch der Mitglieder. Es wird eine intensive Zeit, denn auch die Gegner der Biodiversitätsinitiative haben sich bereits organisiert, allen voran der Schweizer Bauernverband zusammen mit der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, mit zwei Elektrizitäts-Verbänden, dem Gewerbeverband und weiteren Verbänden. Das ist eine potente Gegnerschaft mit viel Geld.

Kampf dem Artenschwund

Die Biodiversitätsinitiative bzw. eidgenössische Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» hat zum Ziel, die Biodiversitätskrise abzuwenden und die biologische Vielfalt der Schweiz besser zu sichern. Es geht um nichts weniger als den Reichtum der Natur und unsere Lebensgrundlage. Der Bund wie auch die Kantone sollen weitere Schutzobjekte bezeichnen und bewahren und die für die Biodiversität erforderlichen Flächen sichern. Dafür sind die nötigen finanziellen und personellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Zudem will die Initiative erreichen, dass die Naturwerte, die Landschaften und das baukulturelle Erbe auch ausserhalb von Schutzgebieten geschont, also nicht ohne Notwendigkeit beeinträchtigt werden. Was unter rechtlichem Schutz steht, soll auch effektiv Schutz geniessen, insbesondere gegen fortschreitende Verluste durch erhebliche Eingriffe. Schutzobjekte von gesamtschweizerischer Bedeutung sollen nicht für kantonale Partikularinteressen geopfert werden können. 

Die Biodiversitätsinitiative ist dringend nötig. Der Zustand der biologischen Vielfalt in der Schweiz ist alarmierend. Das ist nicht allein die Einschätzung der Naturschutzorganisationen, das zeigt vor allem die Wissenschaft und wird auch vom Bundesrat bezeugt. Ein Drittel aller untersuchten Tier- und Pflanzenarten und die Hälfte der Lebensräume der Schweiz sind bedroht. Dass ein grosser Handlungsbedarf besteht, zeigt auch die Tatsache, dass der Bundesrat, die Kantone, die Verbände der Gemeinden und Städte wie auch viele Verbände aus der Wirtschaft der Biodiversitätsinitiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberstellen wollten, der einen Teil der dringendsten Anliegen der Initiative aufgenommen hätte.

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Wir müssen präsent sein!

Der Nationalrat beschloss bereits im September 2022 einen Gegenvorschlag und brachte später noch einen abgeschwächten Vorschlag ins Spiel. Die Initiantinnen und Initianten hatten den Rückzug der Initiative sogar für den abgeschwächten Gegenvorschlag angeboten. Doch den Gegnerinnen und Gegnern gelang es, mit Verzögerungstaktik und Unwahrheiten das Geschäft zu Fall zu bringen. Bis heute behaupten sie wider besseren Wissens, dass es auch bei einem Gegenvorschlag keinen Rückzug der Initiative gegeben hätte. Im Dezember weigerte sich der Ständerat mit einer kleinen Mehrheit von 25 zu 18 Stimmen abschliessend, Massnahmen gegen die Biodiversitätskrise überhaupt nur zu diskutieren. Wir danken allen Politikerinnen und Politikern, die für die Natur gestimmt haben (siehe Link). Obwohl nur sieben Stimmen gefehlt hatten, haben die Gegner ihr Ziel erreicht.

Wir, die Initiantinnen und Initianten der Initiative, waren kompromissbereit für einen Gegenvorschlag, doch jetzt setzen wir uns voll für die Biodiversitätsinitiative ein. Sobald das Abstimmungsdatum bekannt ist, startet die JA-Kampagne der Naturschutzorganisationen und der breiten Koalition der Unterstützenden. Wir brauchen Sie alle: Beim Verteilen von Flugblättern, beim Aufhängen von Plakaten und Grosspostern, bei Ständen mit Informationsmaterial, beim Schreiben von Leserbriefen, bei Reaktionen in den Social Media und bei Podiumsveranstaltungen – wir müssen präsent sein, so wie die Gegner es sicher auch sein werden.

Und auch ganz wichtig: Lassen Sie sich von den Gegnerinnen und Gegnern nicht ins Bockshorn jagen. Die Biodiversitätsinitiative sichert unsere Lebensgrundlagen und hilft der Landwirtschaft. Dass ein besserer Schutz der Biodiversität der landwirtschaftlichen Produktion schaden würde, ist eine Mär. Die Biodiversität trägt ganz entscheidend zur Bestäubung und zur Bodenfruchtbarkeit bei. Darüber hinaus unterstützen Nützlinge die Kontrolle von Schadorganismen. Die Landwirtschaft profitiert also stark von der Biodiversität. Die weitere Zerstörung der Biodiversität wird längerfristig zu mehr Importen von Lebensmitteln führen, nicht die Annahme der Initiative. 

Ebenso falsch ist es, wenn Prozentzahlen von Schutzgebietsflächen genannt werden, die angeblich mit der Initiative beschlossen würden. In der Initiative sind keine Zahlen zu Schutzgebieten genannt. Tatsächlich braucht die Schweiz mehr Schutzgebiete, um ihre Biodiversität zu sichern, ist sie doch heute das europäische Land mit dem geringsten Flächenanteil an Naturschutzgebieten. Aber noch wichtiger als der Umfang neuer Schutzgebietsflächen sind deren Qualität und geeignete Lagen. In welchem Umfang neue Schutzgebietsflächen dazukommen, hängt also stark von der Umsetzung der Initiative ab.

Die Biodiversität gibt uns sauberes Wasser und gute Luft, sie reduziert die Erosion und fördert unsere Gesundheit. Und das alles darf auch etwas kosten, nach Berechnungen des Bundesrats nur gerade fünf Promille des Bundeshaushalts. Das muss uns unsere Lebensgrundlage Wert sein. Herzlichen Dank für Ihr Engagement in den kommenden Monaten!

Dr. Raffael Ayé ist der Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. Werner Müller unterstützt mit seiner Erfahrung aus der Jagdgesetzabstimmung Bird­Life auch bei dieser Abstimmung.

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