Die Nacht durchschaut

Wärmebildkameras. Nachttiere zu beobachten, kann grosse Freude bereiten. Ein Mittel dazu ist die Wärmebildkamera. Doch wichtig dabei ist, die Tiere nicht zu stören.


Wir liegen beim Einbruch der Dunkelheit versteckt im Unterholz und warten darauf, dass Familie Fuchs den Bau verlässt. Natürlich achten wir peinlich darauf, dass wir nicht entdeckt werden und nicht stören. Lange tut sich nichts, bis es schon arg dunkel ist. Dann endlich regt sich etwas, und ich sehe auf dem Display meiner Wärmebildkamera zwei knallgelbe Punkte, die sich bewegen: die Ohren eines jungen Fuchses, der sich allmählich aus dem Bau getraut. Dann erscheint der Kopf, und nach einer Minute oder zwei springt der Welpe endlich auf den Weg vor der Höhle. 

Ich verfolge im Nachtsichtgerät, wie nun auch die beiden Geschwister heraushüpfen und sich erstmal auf einen nahen Baumstrunk legen. Sie schauen umher, als hätten sie den Wald und den Weg noch nie gesehen, und sind etwas unschlüssig, was sie nun tun sollen. Endlich beginnen sie zu dritt herumzutollen und imaginären Mäusen nachzujagen. Lange noch schauen wir ihnen zu. 

Ohne Wärmebildkamera hätten wir nur schwarze Nacht gesehen. Und mit einer Taschenlampe hätten wir die Tiere sofort verscheucht. Allerdings habe ich nach dieser Beobachtung ein ziemlich verkrampftes Auge – ich habe für 1470 Franken das günstigste Modell einer Kamera gekauft, mit winzigem Bildschirm. Freude hat es trotzdem gemacht, und ich betrachte den Kauf des Geräts keineswegs als Fehler. 

Beobachten, wenn es dunkel ist

Viele Tiere werden erst in der Dunkelheit aktiv, wenn sie sich einigermassen sicher fühlen. Dann, wenn wir Menschen normalerweise schlafen, liessen sich also tolle Beobachtungen machen. Doch weil unsere Augen schlechter sind als jene von Uhu oder Fuchs, geht das nur mit Nachtsichtgeräten, die mit der Zeit immer besser und immer kleiner geworden sind. Wichtig ist, auf den Streifzügen in der Nacht nicht zu stören und sich den Tieren nicht allzu stark anzunähern. Nur schon aus diesem Grund eignen sich Wärmebildkameras besser als andere Nachtsichtgeräte für Naturbeobachtungen, weil sie eine höhere Reichweite von bis zu 600 Metern oder mehr haben. Bei anderen Geräten ist in der Regel bei 100 oder 200 Metern Schluss. 

Doch mit welchen Techniken arbeiten Nachtsichtgeräte überhaupt? Die einen Modelle, vor Jahrzehnten bereits erfunden, machen die Infrarotstrahlung aus der nahen Umgebung sichtbar. Dieses für uns unsichtbare Licht hat eine andere Wellenlänge als die Wärmestrahlung. Es entsteht ein einfarbiges Bild in Grün- oder Grautönen. Verstärkt werden kann es durch eine Infrarotlampe, heute mit LED. 

Die zweite Technik ist jene des Restlichtverstärkers, der wie ein Uhuauge mit dem wenigen vorhandenen Licht arbeitet und dieses verstärkt. Bei den heutigen Geräten geschieht dies digital. Moderne Nachtsichtgeräte haben meist beide Systeme integriert, den Restlichtverstärker und die Infrarottechnik. Bei teureren Geräten können so viele Details abgebildet werden, und man sieht zum Beispiel einen Hirsch in allen Einzelheiten relativ scharf. Wie erwähnt eignen sich solche Geräte aber primär für nähere Distanzen. Restlichtverstärker darf man tagsüber nicht verwenden. 

Die dritte Technik – die Wärmebildkamera – eignet sich für Naturbeobachtungen wohl am ehesten. Hier kommt ein anderer Sensor zum Einsatz, der auf längerwellige Infrarot-Wärmestrahlung anspricht. Einigermassen gute Geräte bilden feinste Temperaturunterschiede ab. Für Naturbeobachter bedeutet dies, dass man jede sich bewegende Maus, jedes Reh in grösserer Entfernung und jedes Hermelin problemlos aufspüren kann: Sie sind als sich bewegende rote, gelbe oder weisse Objekte deutlich auf dem Display zu sehen. Oft ist es anhand der Form gut möglich, sie als Marder, Hase oder Fuchs anzusprechen – auch wenn man keine Details sieht und kühle Körperbereiche unsichtbar bleiben. Auch Vögel können trotz ihres dichten Federkleides aufgespürt werden; sie zu bestimmen ist manchmal anhand der Form oder des Verhaltens durchaus möglich, vor allem mit einem teuren Gerät.

Unentdeckt bleiben Tiere mit allen Techniken, wenn sie sich im Blätterwerk und hohen Gras oder auch hinter einem Baum verstecken. Im dichten Wald wird es also mit allen Geräten rasch schwierig.

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Von oben: Reiher und Hirsche in Wärmebildaufnahmen mit verschiedenen Farbmodi, Aufnahme eines nahen Dachses mit einem IR-Nachtsichtgerät (kein Wärmebild). © Alamy (2), Pulsar

Worauf ist zu achten?

Die verschiedenen Kriterien beim Kauf einer Wärmebildkamera können hier nur kurz abgehandelt werden:

Monokular oder Binokular: Ein Monokular (für ein Auge) meist handlicher. Wer jedoch über längere Zeit und oft beobachten möchte, sollte an ein viel komfortableres Binokular denken, das wie ein Feldstecher mit beiden Augen benutzt werden kann. Ein solches ist jedoch bedeutend teurer. 

Aufnahmefunktion: Mit günstigen Modellen kann man «nur» beobachten, aber keine Fotos oder Videos aufnehmen. 

Sehfeld: Je grösser das Sehfeld ist, umso mehr wird von der Umgebung abgebildet. Diese Zahl ist daher besonders wichtig, wenn man ohne ständiges Herumsuchen die Umgebung beobachten möchte. Je grösser das Sehfeld, umso teurer ist aber auch die Kamera. 

Sensorgrösse: Auch hier ist darauf zu achten, dass die entsprechenden Zahlen möglichst hoch sind. Sie wirken sich massgebend auf die Qualität des Bildes aus.

Reichweite: Sie zeigt an, auf welche Distanzen man noch Tiere erkennen kann. Die meisten Kameras bieten auch ein Zoom, oft jedoch nur ein digitales. Zu nahes Heranzoomen ist meist gar nicht nötig und ohne Stativ unpraktikabel.

Displaygrösse: Je grösser das Display, umso komfortabler. Günstige Kameras haben oft nur sehr kleine Displays, bei denen das Auge sich schon bald verkrampft. Dennoch kann man so Tiere erkennen.

Funktionen: Man achte auf die Funktionen und die möglichst intuitive Bedienung. Da man in der Nacht die Tasten nicht sieht, sollte das Gerät nur wenige, klar positionierte Tasten haben, mit denen sich das Menü auf einfache Weise steuern lässt. 

Akkulaufzeit: Bei billigeren Geräten sind die Akkus schon nach einer halben Stunde leer. 

Datentransfer: Einige Kameras lassen sich mit Smartphones/Tablets verbinden bzw. arbeiten mit WLAN.

Wer es ganz genau wissen möchte, kann weitere Punkte wie Sensortyp, Pixelgrösse, Wellenlänge der Kamera, Kalibrierungszeit, Optik oder thermische Empfindlichkeit beachten. Entscheidend ist sowieso, die Geräte im Fachhandel in die Hand zu nehmen und zu testen; Unterschiede in der Bildqualität und im Handling sind so relativ rasch zu erkennen. Alternativ kann man unabhängige Testberichte im Internet lesen.

Detail am Rande: Wer eine sehr lichtstarke Digitalkamera sein Eigen nennt, hat vielleicht bereits ein Nachtsichtgerät zu Hause. Bei einer Blendenzahl von 1,8 und einem ISO-Wert von 50 000 wird die Nacht auf dem Display plötzlich zum Tag – wenn auch nur in der näheren Umgebung und in Schwarzweiss.

Stefan Bachmann ist Redaktor von Ornis.

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