Der Aufwärtstrend hält an

Massnahmen für den Steinkauz zeigen Erfolg. Der Steinkauz hatte dieses Jahr einige ausserordentliche Herausforderungen zu meistern. Dennoch hat er eine gute Saison hinter sich. In den fünf Schweizer Projektgebieten konnten BirdLife Schweiz und seine Partner zahlreiche Aufwertungen für die kleine Eule realisieren. Das Resultat: Der Bestand ist erneut angewachsen und hat den Höchststand seit über 30 Jahren erreicht.


Jetzt im Herbst beginnt für die jungen Steinkäuze eine neue Lebensphase: Sie verlassen das Revier der Eltern und begeben sich auf Wanderschaft, um ein eigenes Territorium zu erobern. Dabei können sie zwar bis zu 100 km weit ziehen, lassen sich letztlich aber meist im Umkreis von 20 km um ihren Geburtsort nieder. Wenn sie ein Gebiet gefunden haben, das genügend Nahrung bietet und den Winter überstehen, gehören sie zu jenen 25 %, die im Schnitt das erste Jahr überleben. Der Steinkauz hat kein leichtes Leben. 

Umso wichtiger ist es, den Vogel des Jahres 2021 zu unterstützen, wo immer es geht. Nur so kann die kleine Eule ihre positive Bestandsentwicklung fortsetzen; noch um die Jahrtausendwende war sie nämlich auf direktem Weg, in der Schweiz auszusterben. Vor allem müssen die letzten Lebensräume geschützt und mit einer breiten Palette an Massnahmen aufgewertet werden. Darüber hinaus gilt es, die Aktivitäten auf weitere, noch unbesiedelte Lebensräume auszuweiten. Nur so wird es gelingen, den Bestand des Steinkauzes nicht nur zu erhalten, sondern auch weiter auszubauen. 

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Das Nebeneinander von hoher und niedriger Vegetation ist für eine erfolgreiche Nahrungssuche sehr wertvoll. © Ralph Martin
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Der Kartenausschnitt zeigt die seit 2015 im Kernperimeter des Projekts «National Prioritäre Kulturlandvögel im Grossen Moos» umgesetzten Massnahmen: Asthaufen (pink), Scheiterbeigen (gelb), Hecken und Gebüschstrukturen (dunkelgrün), Buntbrachen (rot) und gestaffelt gemähte Grünflächen (türkis). © swisstopo/BirdLife Schweiz

Aufwändige Projekte

Die Steinkauzförderung lebt von den lokalen Projekten wie auch von der Energie und dem Einsatz unzähliger Ehrenamtlicher des BirdLife-Netzwerkes und der beteiligten Landwirte. Es sind umfangreiche Projekte, die mit einem erheblichen organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden sind. Der grosse finanzielle Rahmen wäre nicht möglich ohne die Unterstützung von zahlreichen Stiftungen, Bund, Kantonen und Gemeinden. 

Aber auch private Spenden spielen eine wichtige Rolle. So hat das diesjährige Schweizer Bird Race ein Spendenergebnis von über 150 000 Franken ergeben, das ausschliesslich den BirdLife-Steinkauzprojekten zugute kommt. Von den laufenden Projekten profitieren nicht nur die Steinkäuze. Die Aufwertung der Lebensräume hilft auch anderen Kulturlandvögeln, die in unserer Landschaft unter Druck stehen: Wiedehopf, Neuntöter, Dorngrasmücke, Turteltaube oder Zwergohreule sind nur ein paar Beispiele.

Dass die Bedingungen für den Steinkauz in der Schweiz alles andere als optimal sind, zeigt eine aktuelle Studie der Vogelwarte Sempach. Im Vergleich zu Süddeutschland, wo sich der Steinkauz lokal stark positiv entwickelt hat, weisen ähnliche Lebensräume in der Schweiz weniger extensiv bewirtschaftete Wiesen, weniger alte Hochstamm-Obstbäume, aber auch eine geringere Strukturvielfalt auf. Die Erkenntnisse bestätigen, dass in den BirdLife-Projekten seit 1999 die richtigen Massnahmen ergriffen werden. Die Pflanzung von Hochstämmern, die Schaffung von Asthaufen, Scheiterbeigen, offenen Bodenstellen und ähnlichen Strukturen sowie die Förderung von extensiven Wiesen und Weiden stehen seit Projektbeginn im Zentrum der Bemühungen. 

Unter anderem dank dieser Massnahmen hat sich der Steinkauzbestand von 50 bis 60 Revieren anfangs des Jahrtausends auf 153 Reviere 2021 erholt. Damit ist ein Höchststand der Anzahl Reviere seit über 30 Jahren erreicht. Dieses erfreuliche Ergebnis kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass für den langfristigen Erhalt dieser Vogelart ein deutlich höherer Bestand notwendig ist. Um einen weiteren Schritt nach vorn zu machen, müssen die lokal aufwändig realisierten Massnahmen von einer zukunftsorientierten, ökologischen Agrarpolitik besser abgestützt werden. Für den künftigen Zustand der Biodiversität in der Schweiz ist dies absolut zentral. 

Das Jahr 2021 hat gezeigt, dass die Schutzmassnahmen zusätzlich wichtig sind, weil sie auch die natürlichen Schwankungen in der Population etwas dämpfen können. Der Vogel des Jahres hat wetterbedingt kein einfaches Jahr hinter sich. Gebietsweise erstaunlich viel Schnee und viele Niederschläge machten es ihm nicht leicht, genügend Nahrung für sich und seinen Nachwuchs zu finden. Dies zeigt sich unter anderem dadurch, dass die Projektmitarbeitenden nur selten Beutedepots fanden, die der Steinkauz gerne als Vorrat anlegt. Auch wurden einige adulte Käuze tot aufgefunden, und nicht wenige Bruten sind fehlgeschlagen. Bei den Kontrollen gab es aber auch Highlights: Sowohl in der Ajoie als auch im Tessin konnten insgesamt drei Bruten mit je sechs Jungtieren festgestellt werden. Üblich sind drei bis vier Junge. 

Im Folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse aus den fünf Projektgebieten zusammengefasst.  

Ajoie: leichter Anstieg

In der Ajoie im Kanton Jura stieg die Zahl der Steinkauzreviere von 46 im letzten Jahr auf 47 im 2021. Hier setzt sich der Verein Collectif Chevêche mit Unterstützung seines Gründungsmitglieds BirdLife Schweiz und weiteren Organisationen seit vielen Jahren für den Erhalt des kleinen Kauzes ein. Motivierte Projektmitarbeitende helfen jährlich von Mai bis Juli mit, den Bruterfolg zu bestimmen. Dabei werden 120 Nistkästen mit einer kleinen, endoskopischen Kamera untersucht, um den Brutverlauf zu kontrollieren. Wenn die Jungkäuze grösser sind, werden sie beringt – dieses Jahr waren es 53 Individuen. 

Die Kontrolle ermöglicht es auch, das Brutgeschehen genauer zu erfassen. 2021 zog sich dieses über eine längere Zeit hin: Während die ersten Jungkäuze schon das Nest verlassen hatten, folgten ihnen andere erst vier Wochen später. Die vollständige Erfassung der Anzahl Jungvögel war deshalb dieses Jahr nicht einfach. Trotz des regnerischen Wetters in der kritischen Phase der Jungenaufzucht wurde ihre Zahl aber auf etwa 70 bis 80 geschätzt.

Neue Strukturen erhöhen die Qualität der Lebensräume.

Auch dieses Jahr fertigte ein lokaler Schreiner 30 neue Nistkästen an, welche die Vogelschützer an geeigneten Standorten aufhängten. Damit sind derzeit fast 200 Nistkästen im gesamten Gebiet verstreut. Im Herbst werden wieder mehrere Hochstamm-Obstbäume und hohe Bäume gepflanzt, welche die 2000 in den letzten 15 Jahren gepflanzten Exemplare ergänzen. Ausserdem wurden in Zusammenarbeit mit der Fondation Rurale Interjurassienne (FRIJ) und dem Umweltamt des Kantons Jura (ENV) 43 ha zusätzliche extensive Wiesen und Weiden bei engagierten Landwirten unter Vertrag genommen. Damit werden heute rund 100 ha Grünland steinkauzfreundlich bewirtschaftet. Neben der gestaffelten Mahd verpflichten sich die Landwirte auch, biodiversitätsfördernde Strukturen auf den Weiden anzulegen und zu erhalten.

Genf: Territorien gehalten

Im Kanton Genf wurden die etablierten Massnahmen im Jahr 2021 weitergeführt. Momentan sind aus-serdem mehrere Pflanzungsprojekte mit Bäumen und Hecken für 2021 und 2022 in Planung. Der Bestand von 77 Territorien aus dem Vorjahr konnte gehalten werden. Dies stellt den höchsten Wert seit 1996 dar und belegt die gute Qualität der Lebensräume und den erfolgreichen Einsatz des BirdLife-Kantonalverbands «Groupe Ornithologique du Bassin Genevois» (GOBG), der Bauern und des Kantons.  

Auch hier ergaben die Kontrollen Spannendes: Zum dritten Mal in Folge gab es ein Paar aus zwei Steinkauzweibchen. Diese legen auch Eier, die aber natürlich unbefruchtet bleiben und sich nicht entwickeln. Interessant ist auch, dass die Paare nicht jedes Jahr aus denselben Individuen bestanden, sondern insgesamt fünf verschiedene Weibchen involviert waren. Eine ähnliche Beobachtung wurde auch schon im grenznahen Frankreich gemacht. 

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Die Auslichtung im Berner Seeland wird neuen Lebensraum für den Steinkauz schaffen. Neben Buschgruppen werden ab Herbst 2021 zahlreiche Strukturen wie Scheiterbeigen und Asthaufen entstehen. © Lucas Lombardo
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Scheiterbeigen bieten Sitzwarten für den Steinkauz und begünstigen das Auftreten von Grossinsekten und Mäusen, seiner bevorzugten Nahrung. © Martin Schuck

Seeland: neuer Rekord

Erst 2005 wurde die erste Steinkauzbrut im Seeland festgestellt. Dieses Jahr konnte mit sechs Territorien ein neuer Rekord vermeldet werden; er kommt einer Verdoppelung der letztjährigen Zählung gleich. Besonders erfreulich ist, dass sich Neuansiedlungen in den Gebieten finden, die BirdLife kürzlich mit zusätzlichen Strukturen aufgewertet hat. Die Massnahmen umfassen eine gestaffelte Mahd und die Anlage von Kleinstrukturen wie Scheiterbeigen, Steinhaufen und Buschgruppen. Wegen der Corona-Pandemie war leider kein Freiwilligeneinsatz möglich; die mehr als 300 Nistkästen im Gebiet wurden im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie der Vogelwarte Sempach kontrolliert.

Der grösste Einsatz im Gebiet betraf die Umgestaltung des Brästegrabens, die diesen Herbst zusammen mit dem Amt für Wasser und Abfall (AWA) des Kantons Bern fortgeführt wird. Dabei wurden auf 1,5 km die Pappeln beidseitig des Grabens entfernt bzw. einzelne Bäume freigestellt. Diese «Wand aus Bäumen» stellte zuvor ein Hindernis für den Steinkauz dar. Dieser bevorzugt offenes Gelände und hält Abstand zu dichteren Baumbeständen, wo Beutegreifer wie Waldkauz oder Habicht lauern können. Auch die Heckenpflege stellt ein wichtiges Standbein des Projekts dar: Zahlreiche über sieben Meter hohe Hecken wurden in wertvolle Niederhecken umgewandelt.

Nordwestschweiz: noch keine Brut

In der Nordwestschweiz lässt das erste Brutpaar weiter auf sich warten. Doch im grenznahen Frankreich war die Saison trotz des schlechten Wetters erfolgreich: Es wurden 195 Reviere gefunden, die mindestens 340 Jungtiere hervorbrachten. Auch im angrenzenden Süddeutschland wurden 32 Brutpaare registriert, von denen aber 16 die Brut vermutlich witterungsbedingt abbrechen mussten.

Der Fokus der Massnahmen lag vor allem im grenzübergreifenden Leimental, um dem Steinkauz noch mehr Trittsteine auf dem Weg in die Schweiz zu bieten. Hier erwarten ihn dann Lebensräume, die auch dieses Jahr weiter aufgewertet wurden. So pflanzte BirdLife viele Niederhecken, denen ab Herbst neue Hochstämmer folgen werden. Dazu wurden neue biodiversitätsfördernde Flächen wie qualitativ hochwertige Säume und Buntbrachen angesät und Blumenwiesen aufgewertet, und die gestaffelte Mahd wichtiger Flächen wurde weitergeführt. 

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Die Zeit kurz nach dem Ausfliegen ist besonders gefährlich für die kleinen Käuze: Jetzt werden sie von Beutegreifern gejagt. Feuchte Witterung wie im Frühling 2021 lässt sie zudem leicht unterkühlen und macht es den Eltern schwer, sie mit genügend Nahrung zu versorgen. © Ralph Martin

Tessin: Schneechaos überlebt

Trotz des vielen Schnees im Winter 2020/2021 konnte sich der auf 23 Brutpaare angewachsene Bestand erfreulicherweise halten. Der Anstieg seit Beginn der Nullerjahre, als hier erst wenige Paare lebten, ist zweifellos das Ergebnis der Massnahmen von BirdLife und Ficedula. Sie wurden auch dieses Jahr wieder in Zusammenarbeit mit Landwirten, Winzern und vielen anderen Partnern durchgeführt. Die Verantwortlichen pflanzten 2020/2021 100 Hochstämmer und ebenso viele Sträucher – insgesamt sind es seit Projektbeginn über 600 Hochstämmer. Hinzu kommen über 4500 einheimische Sträucher in Form von Buschgruppen und Hecken sowie 75 Holz- und Steinhaufen. Zusätzlich werden jedes Jahr ca. 25 ha Grün­flächen gestaffelt gemäht, um die Nahrungsverfügbarkeit für den Steinkauz zu verbessern.

Die Bevölkerung informieren

In allen Gebieten spielt die Öffentlichkeitsarbeit eine wichtige Rolle. Auch dieses Jahr wurden Führungen, Exkursionen und Vorträge angeboten. Im Tessin hat Ficedula darüber hinaus in den letzten Jahren damit begonnen, einige Steinkauzpaare mit Hilfe spezieller Webcams in den Nistkästen zu überwachen. Auch 2021 gab es zwei Kästen, in denen sich die erfolgreiche Brut mit jeweils vier Küken verfolgen liess. 

Die Webcams stossen nicht nur auf Begeisterung in der Bevölkerung, sondern ermöglichen auch die Untersuchung des Beuteschemas und anderer Aspekte der Ökologie. Die erste beobachtete Beute dieses Jahr war denn auch gleich eine Überraschung: Ein Steinkauz hatte einen ziehenden Wendehals gefangen.

Das Jahr des Steinkauzes neigt sich langsam dem Ende zu, doch die Arbeit geht weiter. BirdLife Schweiz setzt sich auch künftig mit zahlreichen Partnern dafür ein, dass die erfreuliche Geschichte der kleinen Eule in der Schweiz weitergeht und ihr Bestand weiter wachsen kann.

Dr. Stefan Greif arbeitet als Projektleiter Artenförderung bei BirdLife Schweiz. Martin Schuck leitet die Abteilung Artenförderung bei BirdLife Schweiz.

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