150 Jahre Vogelschutz

Jubiläum der OGB. Die Ornithologische Gesellschaft Basel (OGB) – seit 2013 ein Kantonalverband von BirdLife Schweiz – feiert 2020 ihr 150-Jahr-Jubiläum. Mit der engen Verbindung zur Universität und dem Naturhistorischen Museum Basel liegt das Interesse der Mitglieder vor allem bei der Wissenschaft. Ihr Jubiläumsbuch «Der Reiz der Vögel» widmet die OGB der Geschichte und Entwicklung des Vogelschutzes in der Gesellschaft.


Auffahrts-Morgen 2019. Im Zug um 7 Uhr von Basel Richtung Wallis: die Bebbi Babbler und Michel Kilcher. Die Jugendgruppe der Ornithologischen Gesellschaft Basel (OGB) macht sich auf in ihr jährliches Lager. Das grosse Abenteuer beginnt in Brentjong, wie Michel im Blog der Gruppe später berichtet. Kaum dem Bus entstiegen, entdeckt die Gruppe einen Steinrötel auf einem Holzlager. In der Waldbrandfläche folgt Highlight auf Highlight: Zippammer, Gartenrotschwanz, Klappergrasmücke, Berglaubsänger. Die Insektenvielfalt ist einzigartig, das neu entstandene Leben eindrücklich. Die Sonne brennt, aber alle sind begeistert und motiviert. «Eine unvergessliche Begegnung erleben wir am Abend nach dem Essen», schwärmt Michel. «In der Dämmerung, auf einem Hügel liegend, ist plötzlich ein «Errrrrörrrrrörrrrrerr» zu hören. Und da fliegt uns der Ziegenmelker über den Kopf!»

Den Grundstein für solche Erlebnisse legte die OGB 1960 mit ihrem ersten Lehrgang für Jugendliche. Später entstand eine Jugendgruppe, und noch heute treffen sich deren Mitglieder monatlich zu Ausflügen in die Region. Das Leitungsteam rekrutiert sich jeweils aus ihren erwachsen gewordenen Mitgliedern, welche wiederum die Kinder und Jugendlichen mit dem Vogelfieber infizieren.  

Es begann mit dem Zolli

Nicht nur die Bebbi Babbler haben eine lange Tradition: Ihre Mutter-Gesellschaft kann 2020 auf das Wirken von 150 Jahren Vogelkunde und Vogelschutz in Basel zurückblicken. Markus Ritter, von jung an als begeisterter Vogelbeobachter in der OGB, berichtet, dass Vogelliebhaber und -schützer die OGB am 15. November 1870 ins Leben gerufen hatten. Ihr Ziel damals: einen Zoologischen Garten in Basel zu gründen. 

Schon vier Jahre später war es soweit: Nach intensiven Vorarbeiten im erweiterten Kreis des OGB-Vorstandes wurde 1874 der Basler Zolli als erster Zoo der Schweiz eröffnet. Daneben organisierte die OGB Vogelausstellungen für Ziervögel und betrieb Vogelschutz durch Winterfütterung, den Verkauf von Nistkästen und die Ausschüttung von Prämien für die Erlegung von «Raubvögeln». 

Die freilebende Vogelwelt erhielt 1883 erstmals Aufmerksamkeit mit einem geselligen Maibummel in die nahe Umgebung von Basel. Er war dem Lied der Nachtigall gewidmet. Daraus entstanden einige Jahre später die jährlichen Exkursionsprogramme. «Diese Entwicklung ging einher mit einem allgemeinen Trend: Auf nationaler Ebene erschienen Ornithologische Zeitschriften, und der Bund startete den Katalog der Vögel der Schweiz», erläutert Markus Ritter. Dafür begannen die OGB-Sektionen «Hühnerfreunde» und «Sing- und Ziervogelfreunde» zu kriseln.

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In den 1930er-Jahren gab es noch keine illustrierten Führer zur Bestimmung der Vögel im Feld. Exkursionsleiter Martin Schwarz zeichnete daher seine Vergleichstafeln – etwa zu Schwimmenten – selbst. © Martin Schwarz
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Exkursion der OGB anlässlich des feldornithologischen Lehrkurses im Frühling 1929, angeführt von Arnold Masarey. © OGB-Archiv, aus Staatsarchiv BS (PA 1266a D2-6)

Wissenschaft und Feldarbeit

Der Naturschutz hatte sich anfangs des 20. Jahrhunderts in Basel besonders stark verankert. Dies ist unter anderem den bedeutenden Naturwissenschaftern Paul und Fritz Sarasin und Professor Friedrich Zschokke der Universität Basel zu verdanken. So fanden im Jahr 1909 in Basel innerhalb von sechs Wochen drei wegweisende Versammlungen statt: Die Schweizerische Ornithologische Gesellschaft (Kleintierzüchter) schuf eine Kommission für Vogelschutz, der Schweizerische Bund für Naturschutz (heute Pro Natura) wurde gegründet und die Schweizerische Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz Ala erblickte das Licht der Welt. 

1929  führte die OGB in Zusammenarbeit mit dem Naturhistorischen Museum Basel und den Zoologen der Universität den ersten Lehrkurs für wissenschaftliche Feldornithologie durch. Er bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Theorieanlässe und Exkursionen – unter anderem mit dem Verhaltensforscher Professor Adolf Portmann, der seine internationale ornithologische Vernetzung einbrachte. Gemeinschaftsarbeiten zum Vogelzug, zur Verbreitung der Brutvögel und zu biologischen Fragestellungen folgten. 

Auch über die Kantonsgrenzen hinweg verstärkte sich die Zusammenarbeit mit mehreren Grossprojekten und unter Mitwirkung dutzender ehrenamtlicher Feldornithologinnen und Feldornithologen. Daraus entstanden die Artenlisten der Brutvögel in der Nordwestschweiz (1955-1959) und – zusammen mit dem Basler Naturschutzbund – der Basler Natur-Atlas (1981-1984). Mit dem Basellandschaftlichen Natur- und Vogelschutzverband (BNV) schuf die OGB das Ornithologische Inventar beider Basel (1984-1999). Seit 2013 ist sie ein Kantonalverband von BirdLife Schweiz.

Über die Grenzen hinweg

Die engen Kantonsgrenzen sprengte die OGB auch bei der Unterstützung der letzten Auenflächen des Oberrheins nahe der Grenze im Elsass. In den 1970er-Jahren begannen Aktionen vor Ort, um den Schutz der Petite Camargue Alsacienne mit ihren verschiedenen feuchten Lebensraumtypen und der historischen Artenvielfalt einzufordern. Die OGB, zusammen mit der Universität Basel, unterstützte den Kampf mit wissenschaftlichen Untersuchungen, ideeller und finanzieller Hilfe. Aktuell finanziert die OGB den Bau einer Brutwand für Uferschwalben und fördert ein Forschungsprojekt über den Einfluss der Beweidung auf Bodenbrüter auf der französischen Rheininsel der Petite Camargue. 

Inzwischen steht das Gebiet unter dem höchsten Schutz aus Paris und konnte seine Fläche in den letzten Jahren auf 900 Hektaren verdoppeln. Die OGB-Mitglieder fühlen sich mit der Petite Camargue stark verbunden. So unterstützt ein OGB-Vorstandsmitglied deren wissenschaftliche Kommission. Exkursionen führen regelmässig in den Naturraum mit den Seitenarmen des alten Rheins. 

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Mitglieder der OGB erkunden auf ihrer Studienreise 2009 Fischteiche in der ungarischen Hortobagy. © Jacqueline Shahinian

Gebietspflege und Politik

Die OGB-Mitglieder schätzen das breite Angebot an Exkursionen und kurzen und längeren Reisen sowie die Vorträge in der alten Uni am Rhein. Seit 1916 engagieren sie sich auch bei der Pflege ihres Naturreservats von knapp 6 Hektaren in den Langen Erlen vor den Toren Basels. Es beinhaltet  zwei grosse Wasserflächen und einen Waldbereich. Im Jubiläumsjahr werden Aufwertungsmassnahmen im Ufer- und Waldrandbereich umgesetzt, ergänzt mit Stein- und Asthaufen sowie «Eichen-Burgen» zur Förderung von Eichenbock und Hirschkäfer.

Politisch setzt sich die OGB zusammen mit anderen Organisationen gegen die Zerstörung von Naturwerten oder Zuwiderhandlungen gegen Gesetze ein. Gerade hat die OGB im Verbund mit weiteren Organisationen erfolgreich das Referendum gegen ein neues Hafenareal mit einem riesigen Containerterminal ergriffen − mitten in einem Gebiet, das im Inventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung aufgeführt ist. Es beherbergt 400 Pflanzenarten mit all ihren begleitenden Insekten und weiteren Tierarten: eine aussergewöhnliche Vielfalt. Mehr darüber ist in der nächsten Ausgabe von Ornis zu erfahren. 

Pflegeeinsätze auf wertvollen Flächen stehen auch bei den Bebbi Babblern auf dem Jahresprogramm – was beweist, dass die Basler (Bebbi) bei weitem keine Schwätzer (Babbler) sind. In der nahen Agglomeration helfen sie auf einem genossenschaftlichen Biobauernhof bei der Heckenpflege. Im Winter säubern sie ihre Nistkästen auf dem Bruderholz und setzen sie instand. Zur Brutzeit werden die Aktivitäten bei den Nistkästen beobachtet und festgehalten. 

Die Wissenschaft – also das genaue Beobachten, das Hinterfragen und Nachforschen – ist ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten der Bebbi Babbler. Damit ergibt sich die einmalige Chance, Jugendlichen wissenschaftliche Methoden und Fragestellungen sozusagen am Vogel zu vermitteln, ganz direkt beim Betreuen der Alpenseglerkolonie oder im Herbst beim Schafstelzen-Projekt. Hier will die Jugendgruppe herausfinden, welche Unterarten wie häufig im Herbst durch Basel ziehen. Für Nachwuchs ist bei der OGB gesorgt!

BirdLife Schweiz gratuliert seinem Kantonalverband ganz herzlich zum Jubiläum und wünscht der OGB weiterhin begeisterte Ornithologinnen und Ornithologen, die den Geist der Vogelkunde und des Vogelschutzes in die Stadt und über die Grenzen hinaus tragen!

Suzanne Oberer-Kundert ist Präsidentin von BirdLife Schweiz.

Im Buch «Reiz der Vögel» erzählen Markus Ritter und Tobias Salathé spannende Geschichten aus der Geschichte der OGB. So etwa, wie sich Kanarienzüchter zu Vogelschützern mausern, wie sie ein berlepschsches Vogelschutzgehölz anlegen und wie sie beginnen, das Leben der Singvögel auf Exkursionen zu erkunden, anstatt weiterhin Abschussprämien für sogenannte Raubvögel zu bezahlen. Die Geschichten sind mit zeitgenössischen Berichten, Zeichnungen, Aquarellen, Stichen und Fotos äusserst reichhaltig illustriert.

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